Die patriarchalische Rollenverteilung in Birgit Vanderbekes Erzählung Das Muschelessen

Dieser Beitrag befasst sich mit der patriarchalischen Rollenverteilung der Figuren und mit den charakteristischen Merkmalen, die zu der Konstruktion der Geschlechterrollen führen. Um die Analyse und Aufweisung der Figuren zeigt sich die Gender Studies als hilfreich. Der Roman handelt vom Leben einer Familie, die kurz vor dem Mauerbau nach Westen umzieht. In dem Roman kann der Leser Parallelen zum Leben der Autorin erschlieβen, aber die Autorin verneint in ihren Aussagen jede biografische Ähnlichkeit. Sie schildert ein Familienleben unter dem Schatten der Machtverhältnisse und patriarchalischen Rollen der ehemaligen DDR. Die individuelle Freiheit und die neuen Umstände im alltäglichen Leben und Beruf im Westen sind neu für die Familienmitglieder. Dazu kommen noch die Vorurteile der Menschen in dieser neuen Welt und dies alles übt einen groβen Druck aus. Obwohl die Familie aus den Machtverhältnissen der DDR geflohen ist, ist nun der Vater die Macht und Gewalt ausübende Hauptfigur, der den Rest der Familie tyrannisiert. Die Tochter beschreibt als Ich-Erzählerin die familiäre Verhältnisse im Monolog ausführlich, aber sie vermeidet eine explizite Äuβerung zu den Gewalttätigkeiten des Familienoberhauptes. Einen offenen Widerstand gegen die Unterdrückung zeigt weder die Mutter, noch der Sohn oder die Tochter. Vanderbeke konstruiert als Vater eine literarische Figur, die Angst und Erschrecken nicht auf provozierender Art, sondern mit Regeln, Familienrituellen, Erwartungen und impliziten Verboten verbreitet. Die Abrechnung mit dem Vater findet in seiner Abwesenheit statt. Zum ersten Mal sprechen die restlichen Familienmitglieder sich aus, ohne die Angst zu spüren, dass der Vater sie bestrafen wird. Und dies wird der Anfang der Auflösung einer ‘Scheinfamilie’.

The patriarchal role distribution in Birgit Vanderbeke’s narrative Das Muschelessen

This study aims to determine the characteristic features of the figures in the context of the patriarchal roles and to analyse their gender fiction with the research methods of Gender Studies. Even though the existence of analogy in the novel with the author’s life in East Germany interpreted, the author always rejected the autobiographic similarities in her statements. The novel describes a family which migrated to west Germany but they live there under the shadow of the old East Germany’s power and recoil mechanism and patriarchal roles. Even though the family escaped from the recoil mechanism of East Germany, now the father is the subject that implements power and violence. The relations within family is transferred to the reader by the girl as First Person Narrator. However, in this narration which continues with internal monologues, the girl never states directly that the violence that her father used. Neither mother, nor girl or son clearly show resistance to the father. The father figure is fictionalized by the author as a literary figure who uses fear and pressure implicitly not in a provocative way. And he implements this with strict rules, unchanging rituals and bans within family. In the novel, the showdown with the father happens in a place where he is not present. The family members, who are waiting for him to come back from a work trip, start to express themselves clearly for the first time and therefore, the fictional family image in the novel starts to break.

___

Vanderbeke, Birgit (2015). Das Muschelessen, München: PIPER Verlag.

Balmes, Hans Jürgen (2002). Maggiwürfel. In: Mein erstes Buch, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Becker-Schmidt, Regina (1996). Einheit - Zweiheit – Vielheit: Identitätslogische Implikationen in feministischen Emanzipationskonzepten. In: Zeitschrift für Frauenforschung, Heft 1 / 2, Band:14, S. 5-18, Bielefeld: Kleine Verlag.

Foucault, Michel (1983). Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I, Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Verlag.

Foucault, Michel (2007). Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Hippmann, Cornelia (2012). Gleichberechtigung in der Politik? Über Karrierechancen und schwierigkeiten ostdeutscher Frauen in der Politik. November. Gender Politik Online Sozialwissenschaftliches Gender Portal der freien Universität Berlin. ISSN 2192-5267. Online: https://www.fuberlin.de/sites/gpo/pol_sys/partizipation/Gleichberechtigung_in_der_Politik/hippmannPolitikerinnen-Ost.pdf (Zugriffsdatum: 23.11.2018).

Künzel, Christine (2005). Gewalt / Macht. In: Von Braun, Christina und Stephan, I. (Hrsg.). Gender Wissen. Ein Handuch der Gender-Theorien. Köln: Böhlau Verlag.

Luhmann, Niklas (1988). Sozialsystem Familie. In: System Familie Band 1, S. 75-91. Berlin: Springer Verlag.

Notz, Gisela (1990). Die Geschichte der Frauenbewegungen in Ost und Westdeutschland. In: FÜR DICH, Nr. 16. S. 35-39. Berlin: Berliner Verlag.

Schmidt, Heike (2008). Ein Planspiel der SED. Frauenbilder in der DDR. In: Die Politische Meinung. Zeitschrift für Politik, Gesellschaft, Religion und Kultur. Nr. 459. Februar. S. 39-43. Online: https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=1ce31f16-aec5-5147-e2a445f961b41392&groupId=252038 (Zugriffsdatum:12.12.2018).

Smaus, Gerlinda (1994). Physische Gewalt und die Macht des Patriarchats. In: Kriminologisches Journal. Jg. 26, Heft:4, S. 82-104.