Auflösung des Medialen: Thomas Manns "Joseph und seine Brüder" und Richard Wagners "Ring des Nibelungen"

Der Einfluss von Richard Wagners Operntetralogie Der Ring des Nibelungen auf Thomas Manns Romanzyklus Joseph und seine Brüder ist in der Forschung unbestritten. Zwischen beiden bestehen offenkundige Parallelen, von denen die wichtigste wohl die Inszenierung germanischer bzw. biblischer Mythen ist. Gleichwohl lässt sich der Joseph-Roman gerade in diesem Punkt als künstlerischer Gegenentwurf zu seiner Opernvorlage lesen; denn während ihr das Ziel zugrunde liegt, das Publikum in einen tranceähnlichen Zustand zu versetzen, in dem es den dargebotenen Mythos als den eigentlichen miterlebt, kann der Leser nur durch den kritischen Intellekt an der Mythos-Inszenierung des Textes teilhaben. In diesem Zusammenhang erscheint die Frage nach dem medialen Verhältnis, das der Roman zu seiner Vorlage aufweist, von zentraler Bedeutung. Im Nachfolgenden soll die Mythos-Inszenierung von Joseph und seine Brüder vor dem Hintergrund des Wagner’schen ,Gesamtkunstwerks‘ in ihren spezifischen Funktionsweisen herausgearbeitet werden. Als Textgrundlage wird dabei der erste Teil des Romans dienen, wo seine erzähltechnischen Voraussetzungen explizit zur Sprache kommen. Die These lautet, dass Joseph und seine Brüder medial gesehen stark von seiner Relation zum Ring des Nibelungen bedingt ist und im Text daher ein Phänomen entsteht, das in ähnlicher Form auch in der Kunst Wagners auftritt: die Tendenz zur Auflösung des Medialen.

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