EUROPÄISCHES INSOLVENZRECHT – EINE NEUE MOMENTAUFNAHME

EUROPÄISCHES INSOLVENZRECHT – EINE NEUE MOMENTAUFNAHME

In den Nachwehen der Schulden- und Finanzkrise der letzten Jahre spielt das Insolvenzrecht in der Europäischen Union nach wie vor eine erhebliche Rolle. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa ist noch immer ansteigend. Während 2011 nur etwa 173.000 Insolvenzanträge gestellt wurden, waren es 2012 etwa 178.0001 . Bemerkenswert ist dabei, dass einem Rückgang der Insolvenzen in Deutschland2 , Frankreich und Großbritannien eine erhebliche Steigerung der Insolvenzen in Italien, den Niederlanden, Portugal, Schweden und Spanien gegenübersteht. Auch in allen mittel-/osteuropäischen Staaten ist die Zahl der Insolvenzen erheblich gestiegen. Am stärksten insolvenzgefährdet ist der Bereich des Handels und der Dienstleistungsbereich, mit erheblichem Abstand kommt das Baugewerbe. Eine Auswertung von Creditreform zeigt, dass rund ein Viertel der europäischen Unternehmen keinen Gewinn macht und damit stark insolvenzgefährdet ist3 . Knapp ein Viertel der europäischen Unternehmen ist mit einer Eigenkapitalquote von unter 10% deutlich unterkapitalisiert und ebenfalls insolvenzgefährdet. Glaubt man den jüngsten Nachrichten, ist die Finanzkrise noch nicht überwunden und werden in den kommenden Monaten zunehmend wirtschaftliche Schwierigkeiten erwartet. Die wirtschaftliche Lage in der Europäischen Union und deren Insolvenzrecht ist auch für die Türkei von erheblicher Bedeutung. Denn seit dem Inkrafttreten der Zollunion 1996 sind die Exporte der Türkei in die EUMitgliedstaaten gestiegen, beliefen sich 2013 auf über 63 Milliarden USDollar und machten damit 41,5 % der gesamten Exporte der Türkei aus4 . Türkische Exporteure dürften daher nicht selten mit der Insolvenz eines EUKunden konfrontiert sein. Diese praktische Bedeutung auch für türkische Unternehmen und ihre Rechtsberater dürfte Hakan Pekcanitez bewogen haben, 2009 auch das internationale und europäische Insolvenzrecht zum Gegenstand der Beratungen der Tagung der türkischen Prozessualisten in Abant zu machen5 . Gerade weil das türkische IPRG von 2007 (noch) keine Regelung des internationalen Insolvenzrechts enthält6 , hoffe ich, dass dieser Bericht über die seitherige Entwicklung ebenfalls auf Interesse stoßen kann.